WernerEs gibt zwei Phasen in der Geschichte der Mathematik, in denen versucht wurde, das gesamte mathematische Wissen der jeweiligen Zeit zusammen zu tragen.
Dies geschah mit den Elementen des Euklid [3.Jahrhundert v. Chr.] und mit dem Werk von Nicolas Bourbaki [1934].

Dieses Zusammentragen ging allerdings auch mit Sortieren und Strukturieren des vorliegenden Materials einher. Welche Erkenntnisse bauen aufeinander auf, welches Gesetz passt an welche Stelle?

Dabei wird weniger Wert auf die korrekte geschichtliche Abfolge der Erkenntnisgewinnung geachtet, sondern eher auf die Passung im Puzzel des mathematischen Ganzen. Sicher haben sich z.B. die geometrischen Erkenntnisse der Zeit vor Euklid nicht nach dem strengen axiomatischen Aufbau der Elemente ergeben und der Bourbaki - Gruppe haben es die Studierenden zu verdanken, dass ihnen die Mathematik durch organisiert mit Strukturelementen wie Definition, Satz, Lemmata oder Korollar daherkommt.

So haben Newton, Leibnitz u.a. auf keinen Fall die Gesetze der Analysis entdeckt [Morris Kline, why johnny can’t add], sicher auch nicht Thales u.a.
Diese strukturierten Beschreibungen üben auf Schulbuchautoren und Lehrende einen großen Reiz aus: die Befriedigung auf dem Weg nach Vollkommenheit.

Die Mathematiker haben schon in der Vergangenheit und teilweise auch in der Gegenwart mit diesem Siegel der Vollkommenheit deutlich kokettiert. Aber diese Darstellung der Mathematik sollte nur ein Teil des Programms für Lernende, also in Schulen und Universitäten (Anfangssemester), sein.

Spannender und lernphysiologisch deutlich nachhaltiger ist vielmehr das Wie der Erkenntnisgewinnung eines einzelnen Bausteins: z.B. wie kam Vieta zu seiner Lösung quadratischer Gleichungen oder wie (und warum) wurden die Null oder die negativen Zahlen erfunden?

„Es brauchte tausend Jahre bis sich Spitzenmathematiker den negativen Zahlen annäherten und es brauchte weitere tausend Jahre bis sie diese Zahlen akzeptierten. Sollte es uns nicht daher wundern, dass Schüler ihre Schwierigkeiten mit negativen Zahlen haben.” [Morris Kline, why Jonny can’t add, vintage books New York, 1973]

Und wie war das mit der Entdeckung von Wurzel 2?
Werners Blätter wollen hier einen Beitrag leisten. Es geht um die Vermittlung von geschichtlichen Hintergrundinformationen zu Personen und ihrer Arbeit.